von: Urs Heinz Aerni
1. Januar 2016
© Edition 8
Er schreibt zwar Lyrik, kann sich aber in Rage reden, wenn von unserer Gesellschaft mit ihrem Getöse die Rede ist. Roland Merk rührt im Kaffee, im Bahnhofsbuffet Basel. Neben der Tasse liegt sein Buch „Wind ohne Namen“, ein Buch, das ihm sichtlich am Herzen liegt. In lyrischer Sprache reflektiert Merk seine Beobachtungen, seine Gedanken, angesichts dessen, was ihn umtreibt. So wie er als Theaterautor sich mit der Vertreibung der Palästinenser durch Israel in den 40er Jahren auseinandersetzte, umkreist er nun literarisch gesellschaftliche Themen. Auf die Frage, ob das Schwergewicht in der Sprachkunst oder in der Kritik an der Umwelt liege, erklärt Merk, dass beides sich die Waage halte, so hoffe er; „Wo es Literatur heute mit dieser Welt aufnehmen will, so bescheiden ihre Strategien auch sind, so stösst sie, will sie nicht blind sein, immer wieder auf Verhältnisse, die Kritik an der Gesellschaft miteinschließen“.
Vages Gefühl im Bauch
Roland Merk wurde für die Arbeit an diesem Buch durch die Literaturkommission der beiden Basler Kantone gefördert und auf die Frage, warum er sich für die Lyrikform entschieden habe, antwortet er: „Für dieses Buch hatte ich zunächst nur ein vages Gefühl im Bauch. Mir schwebte vor, so etwas wie ein literarisches Bild dieser so ratlosen und gleichzeitig von Katastrophe zu Katastrophe eilenden Epoche zu zeichnen. Dafür eignet sich nur die Lyrik!“ Gerade wenn man in ein „offenes und unübersichtliches Feld“ wage, wie die jetzige Zeit, eigne sich die Gedichtsform besser als jede andere literarische Gattung. Nach der Lektüre des Buches schwankt der Leser zwischen Streitlust und Resignation, ob dies Absicht ist? „Nein, und es wäre fatal, das zur Absicht machen zu wollen. Umgekehrt kann man aber auch nicht so daherkommen und den Leuten sagen, wir haben zwar verdammt viele Probleme auf dieser Erde, aber das packen wir schon“.
Vom Wind zum Sturm
Roland Merk wuchs in Luzern und Lausanne auf, studierte in Zürich, Berlin und Bern Philosophie, Germanistik und Soziologie und lebt heute abwechslungseise in Basel und Paris. Mit seinem Dokumentartheater über den Nahostkonflikt „Replay Palestine“ erhielt er eine Einladung an die Volksbühne Berlin.
Die Kaffetasse ist längst leer und Merk ist vertieft in seinen Überlegungen: „Wir alle wissen, mit Ausnahme von einigen Ewiggestrigen, dass wir gewissermassen mit 160 kmh auf eine Wand zufahren, deren Beschaffenheit und Härte uns die Wissenschaft beschrieben hat. Trotzdem tun wir so, als ob nichts geschehen wäre“. Im Laufe des Gesprächs und der Lektüre mausert sich aus „Wind ohne Namen“ zu einem „Sturm ohne Namen“. Merk würde seine Art Lyrik als „Einspruch“ bezeichnen. Urs Heinz Aerni
Merk, Roland
Wind ohne Namen
Gedichte
(Edition Acht) ISBN: 978-3-85990-155-1