von: Urs Heinz Aerni
12. Januar 2017

Buchtipp: Instabile Texte zu zweit

Das Buch ist zwar keine Neuerscheinung aber neu zu entdecken!

© Edition Korrespondenzen

Was ist instabiler, das Leben oder die Sprache? Alle würden wohl sofort das Erstgenannte wählen. Aber wenn die Sprache aus dem Leben kommt, so ist sie es genauso. Spätestens bei der Lektüre der Texte von Zsuzsanna Gahse wird klar, dass auch eine bewusst angewandte Sprache das Leben drum herum instabilisiert. Der geografische Werdegang der Autorin von Budapest über Wien, Kassel und Stuttgart nach Luzern und in die Ostschweiz könnte den Schluss zulassen, dass Zsuzsanna Gahse in der Spracharbeit eine stabilisierende Komponente zu finden hoffte. Man müsste sie fragen. Fraglos ist allerdings, wie ihre Literatur unser vermeintlich klares Sprachgebäude neu einrüstet, um es zu untersuchen. Ihr sprachliches Feilen, Schleifen und Aufrauhen macht Deutsch zu einer Baustelle ohne die Absicht, das Baugerüst je wieder zu entfernen.

In Donauwürfel bringt Gahse es fertig, dem Fluss eine geometrische Form zu geben, die literarisch perfekt funktioniert und trotzdem beim Lesen die Haare nass werden lässt. Und in Das Nichts in Venedig bringt sie quasi das Gegenbild einer immer gleich wahrgenommenen Stadt zum Ausdruck, einer Stadt, die von der Kultur schon beinahe wegbeschrieben wurde. Und in Instabile Texte verzaubert Zsuzsanna Gahse Worte in Orte. Ob meine Lesart sich mit ihrer Schreibabsicht deckt, lassen wir offen, denn alles ist instabil, wie das Lesen. Urs Heinz Aerni

 

 

Das Buch: „Instabile Texte zu zweit“ von Zsuzsanna Gahse, Edition Korrespondenzen