von: Serpentina Hagner / uha
16. August 2017

Buchtipp: Der Märchenmaler von Zürich

Edition Moderne überrascht immer wieder mit lesenswerten Neuerscheinungen! Serpentina Hagner zeichnete die abenteuerliche Lebensgeschichte ihres Vaters Emil Medardus Hagner auf, der sich selbst Märchenmaler von Zürich nannte. Eine Story voll Witz, Tragik und Schlauheit.

© Edition Moderne

Dazu schreibt Serpentina Hagner:

Mein Vater, Emil „Miggel“ Medardus Hagner (1921–1999), erfuhr im Alter von sechs Jahren von seiner Mutter, dass er ein sogenanntes Kuckuckskind sei, doch dürfe sein von ihm überaus geliebter Vater, eigentlich sein Stiefvater, nichts davon erfahren, da dieser sie sonst verlassen würde. Solche und andere schmerzliche Erlebnisse traumatisierten den Jungen schwer. Ablenkung fand er beim Zeichnen und Erträumen eigener Welten.

Als Erwachsener wurde Miggel immer wieder von Depressionen geplagt, er trank zeitweilig heftig; sehr häufig sprach er davon, sich das Leben zu nehmen. Kunst, Literatur, die Liebe zu Märchen und Sagen und der Aufenthalt in der Natur gaben ihm einen gewissen Halt; er glaubte fest an die Existenz von Naturgeistern, die er immer wieder malte und zeichnete. Im Vorkurs der Kunstgewerbeschule wurde er von vielen seiner Mitschülern verspottet, sie konnten mit seinen Zeichnungen nichts anfangen. Aus Selbstschutz und um der Kritik seiner Klassenkameraden etwas entgegenzusetzen, nannte er sich seither «Märchenmaler von Zürich».

Als ich noch klein war, erzählte mir mein Vater manchmal aus seiner Kindheit und Jugend. Spannende, aber oft auch etwas verstörende Geschichten, die er später, versehen mit Illustrationen, auf kleinen Blättern festhielt.

Mit fortschreitendem Alter verschlimmerten sich die psychischen Probleme meines Vaters, mit 58 Jahren erlitt er einen Zusammenbruch, er erkannte seine Familie nicht mehr, lag nur da und schrie, gefangen in einem schrecklichen Alptraum. In der Folge bekam er eine Invalidenrente zugesprochen. Als es ihm wieder besser ging, nahm er das Zeichnen wieder auf, doch wurde sein psychischer Zustand immer instabiler. Er meinte, in seiner Ehefrau seine verstorbene Mutter wiederzuerkennen und sah überhaupt in allen Frauen Hexen, die ihn verzaubern wollten. Zur Trennung von seiner Frau kam es nachdem er sie im Wahn mit einem Messer bedroht hatte.

In den folgenden Jahren wurde Miggel mehr und mehr zum Einzelgänger, man traf ihn in Zürichs Kneipen, wo er als liebenswertes Original bekannt war, der den Leuten lustige Geschichten erzählte, Märchenfiguren auf kleine Zettel zeichnete oder «Kraftsteine» verschenkte. Immer wieder aber litt er unter Alpträumen und Wahnvorstellungen.

Der Zustand meines Vaters schmerzte mich sehr, ich wollte mehr über ihn und unsere Familiengeschichte erfahren. Ab 1995 begann ich, ihn über sein Leben auszufragen und seine Erzählungen aufzuschreiben. Der vorliegende Comic entstand aufgrund dieser Aufzeichnungen.

(Aus dem Vorwort des Buches mit freundlicher Genehmigung der Edition Moderne)

Beeindruckende Bilder und Erzählweise über ein ebensolches Leben. Hier finden Sie weitere Infos zum Buch…

Hier gelangen Sie auf die Website von Serpentina Hagner…

Das Buch:

Titel: Der Märchenmaler von Zürich
Autor: Serpentina Hagner
EAN: 9783037311653
ISBN: 978-3-03731-165-3
Format: Fester Einband
Herausgeber: Edition Moderne
Anzahl Seiten: 56