von: Rita Stocker
21. Januar 2017

Buchtipp: Das elende Schicksal von Motz-Moritz

Die Zürcher Krimi-Autorin Petra Ivanov stellte in der Bibliothek Dietlikon (Zürich) den siebten Fall des Ermittler-Duos Flint und Cavalli vorgestellt. Im Buch «Heiße Eisen» geht es um einen Politiker, der für einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee plädiert und sich dabei nicht nur die Finger verbrennt.

© Appenzeller Verlag

Um nicht die Spannung vorweg zu nehmen und trotzdem den Appetit auf Mehr anzuregen, hat Petra Ivanov an der Lesung einen Handlungsstrang aus ihrem aktuellen Buch «Heiße Eisen» herausgenommen und vorgetragen. Dabei wurden die interessierten Zuhörer jäh von der Dietliker Bibliothek ins Zuhause des Mittfünfzigers Moritz Kienast spediert, der am Fuß des Üetlibergs wohnt und als parteiloser Kantonsrat unnachgiebig politisiert. Motz-Moritz, wie Kienast auch genannt wird, ist ein unbeliebter Politiker, der sich während seiner Karriere viele Feinde schaffte. Er setzt sich unerbittlich für den Umweltschutz ein und fordert einen durchgehenden Uferweg entlang des Zürichsees – auch wenn dies für Villenbesitzer mit Seeanstoss Enteignungen zur Folge hätte. Plötzlich verschwindet der engagierte Politiker und Staatsanwältin Regina Flint nimmt die Ermittlungen auf, während ihr Partner, Kriminalpolizist Bruno Cavalli, für eine Undercover-Ermittlung in den USA weilt.

Der Erzählstil von Petra Ivanov geht stark ins Detail und saugt die Leser aufgrund der bildlichen Sprache mitten in die kurzweilige Geschichte. Behaglich ist auch der Lokalkolorit der Schauplätze, wodurch Gebäude, Strassen und Ortschaften sofort mit eigenen Bildern im Kopf verknüpft werden. Besonders an Ivanovs Büchern sind die äusserst exakten und Detail getreuen Recherchen, die sich an der Praxis orientieren und die Romane überaus realistisch wirken lassen. Allerdings ist «Heiße Eisen» nichts für Menschen mit schwachen Nerven – denn Moritz Kienast’s Schicksal ist schwer zu ertragen. Dazu inspiriert wurde Ivanov von einer Meldung aus der Zeitung, die sie beim Lesen selber schockierte, wie sie verriet.

 

Ausdauernde Networkerin

Nach der Lesung stand Ivanov den Zuhörern noch Rede und Antwort und wurde gefragt, wie sie denn für ihre Bücher recherchiere. «Das ist ein jahrelanger Aufbau», meinte sie. Beim Schreiben ihres ersten Buches habe sie zum Beispiel bei der Polizei angefragt, wie gewisse Vorgänge funktionierten. Damals sei noch verhalten geantwortet worden. «Doch seit ich mein erstes Buch vorweisen kann, erhalte ich immer mehr Informationen», erklärte sie. Inzwischen verfüge sie über ein großes Netzwerk, dürfe an Veranstaltungen für Polizisten teilnehmen und habe Kontakte zur Justizdirektion, zu Rechtsanwälten sowie Rechtsmedizinern aufbauen können.

Auf die Frage, wie lange sie an einem Buch schreibe, meinte sie, dass sie während eines Jahres zu bestimmten Themen Informationen sammle und recherchiere. «Wenn ich dann jeden Tag schreibe, dauert das Verfassen der Erstfassung ein halbes Jahr», so Ivanov. Danach überarbeitet sie den Text rund zehn Mal und gibt ihn anderen Leuten zum Gegenlesen – zum Beispiel der Polizei, der Rechtsmedizin oder der Staatsanwaltschaft, was wiederum ein halbes Jahr dauert. «Zwischendurch arbeite ich an anderen Projekten, sodass sich die neuen Vorhaben nie im selben Stadium befinden.

 

Für Carnivoren und Vegetarier

Sämtliche von Ivanov verfassten Bücher sind in sich abgeschlossene Fälle, obwohl die meisten untereinander vernetzt sind. Die Flint-Cavalli-Reihe ist jeweils ein abgeschlossener Mordfall, wobei sich die Beziehung zwischen den Protagonisten immer weiter entwickelt. Nach dem fünften Fall hat Ivanov die Serie zweigeteilt und die neue Reihe Meyer und Palushi entwickelt, die inzwischen zwei Bände umfasst. Jasmin Meyer ist eine Polizistin aus den Flint-Cavalli-Bändern, die selber Opfer eines Verbrechens wurde. Darauf ist sie bei der Polizei ausgestiegen und führt seither freie Ermittlungen mit Hilfe des Anwalts Pal Palushi durch, wobei nicht immer «nur» schwere Gewaltdelikte im Vordergrund stehen. «Ich nenne diese die vegetarische Serie», meinte Ivanov schmunzelnd. Auch die Jugendbuch-Reihe, Rest, Escape, Delete und Control, enthält eine Überschneidung, dort taucht jeweils Cavallis Sohn, Chris, auf. Rita Stocker. Redaktorin der Zeitung Kurier, Dietlikon (Zürich)

 

Vom Hintergrund zum Roman

Petra Ivanov wurde 1967 in Zürich geboren, verbrachte dann mit ihren Eltern acht Jahre in den USA und kehrte als Zwölfjährig wieder zurück. Nach der Mittelschule und einem Studium an der Dolmetscherschule arbeitete sie als Übersetzerin und Sprachlehrerin – später wechselte sie in den Journalismus.

Als Sie als Redaktorin beim Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) arbeitete, wollte Ivanov Hintergrundthemen, die ihr am Herzen lagen, in den Medien unterbringen, was schwierig war, da neben News und Schlagzeilen ausführliche und umfangreiche Texte oft keinen Platz finden. Kurzerhand beschloss sie, diese Themen in Spannungsromane zu verpacken, um die Menschen auf eine andere Art zu erreichen. Ihr Erstlingswerk «Fremde Hände» erschien 2005 – der erste Fall von Flint und Cavalli – und thematisiert den Frauenhandel. Seither hat Petra Ivanov elf Romane für Erwachsene, vier Jugendbücher sowie sieben Geschichten – zum Teil als Auftragsarbeiten – verfasst. Weitere Informationen unter www.petraivanov.ch. (sto)

Das Buch „Heiße Eisen“ von Petra Ivanov ist im Appenzeller Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.

Rita Stocker ist Redaktorin der Zeitung KURIER aus der Region Dietlikon und Wange-Brüttisellen bei Zürich. Wir danken herzlich für die Zusammenarbeit.