von: Athena Verlag, Oberhausen (Deutschland) / Red.
11. Mai 2023
© Athena Verlag
Mit Vernunft, gegenseitiger Akzeptanz und gesundem Menschenverstand könnten die Protagonisten der Dramolette eigentlich ganz gut unterwegs sein. Aber sie schaffen es en passant, ihre Beziehungen und die Erwartungen aneinander ins Dramadreieck, ins Katastrophenkarree zu schleusen. Sie reden aneinander vorbei, deuten und missdeuten in alle Richtungen und möchten einander an den Kragen gehen um des eigenen Vorteils, der eigenen Idee willen. So geraten die Mutter Jesu nebst Schwiegertochter Maria Magdalena ebenso leicht und lustvoll in tragische Verwicklungen wie der Barkeeper, der Hauptkommissar und die verständnisvolle Stimme des Beratungstelefons Die Dargebotene Hand. Kleine dramaturgische Stücke, tragisch, komisch, vielleicht nicht immer ganz ernst gemeint und doch ein Spiegel dessen, wie unser aller Alltag sich manchmal gestaltet.
Dramolette 3
Die ganz besondere Welt, der eigene Kosmos von Fritz Billeters kauzig-normalen Figuren zeigt sich erneut in kurzen, rasant bis pragmatischen Szenen. Gott selber diskutiert mit Theo und Theresa, die ihn für nicht existent halten, über ihre Ehe, zwei alte Damen im Altersheim unterhalten mit bitterem Gezänk über gewesene Liebhaber die lauschende Pflegerin. Diebe, Schauspielerinnen, der Nikolaus, der Präsident, die Fotografin lassen uns Einblick nehmen in ihr Leben, das sie dramatisch ins Abseits katapultiert. In wenigen Sätzen, mit kleinen Gemeinheiten, sanften Fallen, grossen Gefühlen. Fast wie im echten Drama. Sie alle kommunizieren akribisch destruktiv, um tatsächlich gehört zu werden, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Nicht ohne hintergründigen Humor und manchmal in atemberaubendem Tempo.
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Fragen an den Autor:
Herr Billeter, soeben ist ihr Buch »Dramolette 2« erschienen. Können Sie uns einen Einblick in den Schreibprozess für Ihre Kurzdramen geben?
Fritz Billeter: Seit etwa fünf Jahren schreibe ich Dramolette/Kurzdramen. Ein ausgewachsenes Theaterstück umfasste in der deutschen Klassik fünf Akte. Später hielten sich die Autoren von Bühnendramen nicht mehr an dieses Schema. Sie brachten ihre Themen in drei, zwei oder einem Akt unter. Meine Dramolette haben fast immer nicht einmal die Länge eines einzigen Aktes: sie entfalten sich auf, sagen wir 10 Buchseiten. Vorbilder dazu finden sich kaum in der Literatur. Immerhin hat Samuel Beckett einige geschrieben. Die Knappheit meiner Dramolette erklärt sich vor allem dadurch, dass ich vom Journalismus herkomme. Professionell übte ich diesen Beruf als Kunstkritiker von 1971 bis 2000 aus. Als Journalist stehen einem wenn die Sache wichtig, attraktiv ist, vielleicht um die 200 Zeitungszeilen zur Verfügung: man muss, um eine Redensart zu bemühen, rasch auf den Punkt kommen. Da ich aber anders als der Journalist nicht unter Zeitdruck stehe, können meine Dramolette erdauert werden. Will heissen, dass ich ein Thema lange (Wochen, Monate) mit mir trage; niedergeschrieben ist es, wenn die Zeit reif ist, schnell, ja <blitzartig>.
Wo sehen Sie die Schwierigkeit beim Schreiben eines Kurzdramas gegenüber einem sich über längere Zeit entwickelndem Text?
Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Texte gespielt auf einer Bühne zu sehen?
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Fritz Billeter, geboren 1929 in Zürich, aufgewachsen in Basel; promoviert an der Universität Basel: Dissertation «Das Dichterische bei Kafka und Kierkegaard»; 1959 Rückkehr nach Zürich, Unterricht an verschiedenen Gymnasien: Deutsch, Französisch, Filmkunde; von 1971 bis 1995 Kulturredaktor beim Zürcher Tagesanzeiger; Verfasser zahlreicher Monografien von Schweizer Künstlern; 2009 erschien im Verlag Benteli, Zürich, die Aufsatzsammlung «Für den Tag/Über den Tag hinaus». Zuletzt veröffentlichte Fritz Billeter im ATHENA-Verlag «Kunst und Gesellschaft. Ein Essay» (2017) und «Dramolette. 25 bedenkliche Stücke» (2021).
Über den Künstler Michael Wyss finden Sie hier mehr Informationen: www.wyss-art.ch
Dramolette 2: 164 Seiten, Klappenbroschur mit 16 farbigen Abbildungen, ISBN: 978-3-7455-1136-9
Dramolette 3: 160 Seiten, Klappenbroschur mit 16 farbigen Abbildungen, ISBN: 978-3-7455-1138-3
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