von: Urs Heinz Aerni
3. November 2014
Lyrikpreis München © Quelle: Lyrikpreis München
Urs Heinz Aerni: Wir sitzen hier im Restaurant Spirgarten in Zürich. Draußen nachtet es langsam und auf dem Tisch liegt Ihr Gedichtband. Gäbe es hier und jetzt Momente, die Sie vielleicht mal lyrisch umsetzen könnten?
Anne-Marie Kenessey: Die Möglichkeit einer zündenden Begegnung besteht jederzeit. Als Lyrikerin lasse ich mich gerne überraschen. Sofern sich nichts aufdrängt, verbringe ich meine Zeit mit anderen Aktivitäten.
Aerni: Sie studierten BWL und arbeiten in der Privatwirtschaft, im Finanzbereich, wenn ich mich richtig erinnere. Ihre Gedichte sind nahe bei der Natur, eine Art innere Zuflucht oder gar Flucht aus der Business-Welt?
Kenessey: Schon das Titelgedicht beantwortet Ihre Frage. Die vegetativen Vorgänge sind meist vielschichtig und wollen erkundet werden. Prägende Erfahrungen und bohrende Fragen treiben mich früher oder später an den Schreibtisch, auch solche im Rahmen meines Broterwerbs.
Aerni: Sie sind in Zürich geboren und leben auch hier, wie beeinflusst generell das urbane Leben Ihre Arbeit an der Poesie?
Kenessey: In der Stadt Zürich Ruhe und Rückzug zu finden, ist nicht leicht. Andererseits sind die Reize und Bedrängungen des urbanen Lebens ein starker Antrieb.
Aerni: 2012 haben Sie den Münchner Lyrikpreis erhalten. Motivieren solche Auszeichnungen oder machen sie Druck auf das nächste Buch?
Kenessey: Ich erlebe den Münchner Lyrikpreis und die Auszeichnung meines Debütbands durch den Kanton Zürich als große Ermutigungen, für die ich unglaublich dankbar bin. Sie spornen mich in meiner Weiterentwicklung an.
Aerni: Ihre Gedichte drehen sich sehr nahe um Flora und Fauna und zudem blicken sie in den Alltag, so dass er es nicht mehr alltäglich wird. Beschreiben Sie mir, wie Sie zu „Aufhängern“ fürs Texten kommen.
Kenessey: Unbefangenheit und Neugierde meinem Umfeld und der Sprache gegenüber bescheren mir die nötigen Einfälle. Etwas sticht mich und verleiht den Texten Authentizität und Leben.
Aerni: Auch Reisen aber auch Sprachen wie Ungarisch, Spanisch oder Englisch sind Stoffe, mit denen Sie arbeiten. Gibt es im Deutschen Stärken, die man in anderen Sprachen ebenso findet und wo liegen die Schwächen unserer Sprache im Vergleich mit anderen … für eine Lyrikerin.
Kenessey: Im Deutschen finden sich Konsonantencluster und viele lange Komposita. Auch verfügt die Lyrikerin nicht über die Leichtigkeit der romanischen Reimbildung. Freiheiten schafft der variationsreiche Satzbau. Die deutliche Akzentabstufung und der Reichtum an Vokalen und Diphthongen verleihen der deutschen Sprache Ausdrucksstärke und Klang.
Aerni: Bevor wir uns hier im Lokal trennen, noch eine Frage: Auf was freut sich eine Gedichteschreiberin, wenn an die nächsten sieben Tage denkt?
Kenessey: Wie jede Arbeitnehmerin aufs Wochenende. Da stehen die Chancen gut, Notizen verarbeiten zu können.
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