von: Urs Heinz Aerni
10. Dezember 2015

„Bitte nicht ans Meer“

Die besten Texte aus dem Blog von Daniela Jäggi mit Themen, die uns alle angehen. Aus der pointierten und ehrlichen Sicht einer Mutter, Mode-Expertin und Unternehmerin, die zudem immer mehr in Hamburg anzutreffen ist...

© uha Daniela Jäggi im Gespräch mit Urs Heinz Aerni

 

Urs Heinz Aerni: Daniela Jäggi, nach Lebensjahren als Ehefrau, Mutter und Geschäftsfrau scheint es, dass das Schreiben Sie nun endgültig gepackt hat. Was passiert mit Ihnen, beim Verfassen von eigenen Sätzen?

Daniela Jäggi: Ich lebe in der Geschichte, die ich gerade schreibe. Dabei sehe ich mich durch die Sätze gehen und bin in der Buchstabenwelt, ziemlich weit weg von der Realität.

Tschüss alte Welt?

Ja, das tut gut. Es fühlt sich an wie das Eintauchen in einen Film. Ich sehe was passiert und beschreibe es. Ich lebe in der jeweiligen Geschichte. Dieses Gefühl liebe ich, seit ich einen Stift in der Hand halten kann. Diese Bilder im Kopf und die Phantasie gehören beim Schreiben nur mir.

Aber Sie schreiben es ja auf, so dass es andere mitlesen können…

Richtig, dabei überlege ich auch nicht, wer nun was denkt, wenn er meine Zeilen liest. Das würde den Schreibfluss blockieren. In meiner Buchstabenwelt gelten meine Regeln, und das ist gut so.

Zuerst sind Ihre Texte digital als Blog erschienen und nun viele davon als gedrucktes Buch. Was kann ein Buch, was das Web nicht kann?

Das Buch kann in die Handtasche gepackt werden und es ist für jeden einfach zu handhaben. Es braucht weder Strom noch besondere Kenntnisse. Im Bett dient es als Abendlektüre, auf dem Liegestuhl zur Auflockerung. Es ist pflegeleicht, und wenn es gelesen ist, passt es perfekt ins Bücherregal. Dort steht es jederzeit bereit, um wieder als praktischer Begleiter in den Einsatz zu kommen.

Das war eine Laudatio fürs Gedruckte…

Ach ja: Es macht dieses schöne Geräusch, wenn man darin blättert; eben anders, als das geräuschlose Surfen im Netz! Wer möchte, kann es ans Ende der Welt in den Dschungel mitnehmen – es braucht keinen Internetzugang, um gelesen zu werden. Es riecht nach Papier, und es kann wunderbar als Geschenk verpackt werden.

Sie beobachten und kommentieren, manchmal zwinkernd, verärgert und kritisch, aber stets mit Eigenironie. Kann sich der Blick auf die Umwelt durch das Schreiben verändern?

Und wie! Für mich wird alles sehr viel einfacher, wenn ich schreibe. Und ich nehme das Leben viel gelassener. Dabei habe ich mich aber bewusst entschieden, aktuelle Schreckensnachrichten nicht zum Thema zu machen.

Warum?

Das tun die Tagesmedien schon. Ich versuche Alltagsgeschichten so zu verpacken, dass sich jeder darin irgendwo wieder findet. Die Reaktionen zeigen, dass die Menschen diese Sicht auf die Welt offenbar genauso mögen wie ich. Man soll den Alltag schließlich nicht unnötig schlechter machen, als er ist. Und ein Augenzwinkern muss Platz haben, jeden Tag. Wie trist wäre unser Leben sonst.

Sie tun es täglich, das Schreiben. So zu lesen auf Ihrem Blog, es mache Spaß und Sie würden gerne übertreiben. Beschreiben Sie uns Ihren Schreibort, wie sieht der aus?

Hell, zufrieden und gemütlich. Ich schreibe zu Hause, ab und an auch in den Ferien. Wichtig ist, dass ich mich beim Schreiben wohl fühle, egal wo dies gerade ist. Es kann schon mal vorkommen, dass ich stundenlang ohne das kleinste Nebengeräusch schreibe. In der Regel fällt mir das erst auf, wenn mich die Türklingel oder das Telefon zurück ins Wohnzimmer holt. Fast alle Geschichten entstehen schlussendlich nämlich genau dort: Im Wohnzimmer, am Esstisch, mit meinem Kaffee, einer Flasche Mineralwasser und meinen Notizen.

Sie sind nun auch oft in Hamburg anzutreffen. Was zieht eine Bloggerin und Autorin aus der schönen Schweiz in den Norden Deutschlands?

Nun ja – in erster Linie die Tochter, die in Hamburg studiert. Ansonsten aber die wunderschöne Stadt, welche alles bietet, was man sich nur wünscht. Von Stadtflair über Gourmetkünste aus jedem nur erdenklichen Land. Von Kultur in größter Auswahl bis hin zu Natur in allen nur erdenklichen Formen. Und es hat keine Berge.

Bitte?

Ja, wie schön – es ist nämlich so einfach, zu Fuß überall hin zu kommen. Topfeben und wunderbar abwechslungsreich. Zudem sind die öffentlichen Verkehrsmittel in Hamburg so gut wie immer im Einsatz – man muss also nicht Stunden zuvor schon planen, wann man nun wie wohin gelangen möchte. Mit dem Laptop unterm Arm bieten sich dort täglich unendlich viele Geschichten an. Was will man mehr?

Könnte man eigentlich gleich in einem Tourismus-Prospekt abdrucken. Wo bestehen denn für Sie die größten Unterschiede zwischen der Solothurnischen und der Hamburgerischen Mentalität?

Die Hanseaten sind – abgesehen von den Österreichern – wohl das unkomplizierteste Multikultivölkchen, das ich kenne. Total unverkrampft, witzig und frei Schnauze. Sie haben Witz, nehmen sich selber nicht so ernst und sind offen für Neues. Das sind eigentlich schon die frappantesten Defizite der Solothurner – dem gibt es eigentlich nichts mehr anzufügen … außer, dass es auch in good old Solothurn Ausnahmen gibt (lacht).

Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass sich die Schweizer mit der Deutschen Art des Umgangs schwer tun. Woher kommt das aus Ihrer Sicht?

Aus der Geschichte, die man nun wirklich endlich ruhen lassen sollte. Und möglicherweise aus der forschen und lauten Art mancher Deutschen, mit welcher die diplomatischen und angepassten Schweizer schlecht umgehen können. Wir Schweizer sind doch immer sehr defensiv und reden immer um den heißen Brei – die Deutschen sind laut, forsch und sagen, was sie denken. Das ist wohl das Problem für viele im Umgang miteinander…

Was bei Ihnen anders ist…

Ich mag diese Art und habe deshalb damit überhaupt keine Probleme.

Nun sind Sie auch oft in Hamburg zu Besuch und kennen die Stadt. Was würden Sie einem Gast als erstes zeigen und wohin würden sie mit ihm eher nicht gehen?

Ich würde ihm den Hafen, die Speicherstadt, die tollen Shoppingmöglichkeiten rund um den Gänsemarkt, den Hagenbecker Zoo, die Musicals, die sündige Meile auf St. Pauli und Eimsbüttel, mein Lieblingsquartier. Eher weglassen würde ich die Szene um den Hauptbahnhof und Altona – diese Orte finde ich nicht so toll.

Bereits arbeiten Sie an einem zweiten Buch. Werden wir darin auch Ihre Eindrücke in Deutschland lesen können?

Eher nicht, da ich versuche, mich in meinen Geschichten im Buch nicht auf Orte oder bestimmte Tage und Zeiten festzulegen. Diese Geschichten sollten immer funktionieren. Aber auf dem Blog findet man diverse Stories über Hamburg.

Gäbe es Hamburg nicht, wo würden wir Sie finden und warum?

Zuhause, oder in Österreich. Ich bin keine Weltenbummlerin – mein Radius ist relativ klein aber dafür umso schöner. Hauptsache, man schleppt mich nicht auf eine Insel oder ans Meer – das finde ich grausam langweilig.

Wenn ich ein Bild mit einem lesenden Menschen mit Ihrem Buch in den Händen malen würde, wie müsste es aussehen?

Hell und freundlich. Keine dunklen Farben. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein Haus im Chalet-Stil, vor welchem eine Sitzbank aus Holz steht. Dort sitzt ein zufriedener Mensch mit meinem Buch. Fernab von Lärm und Hektik. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Das Bild dürfte auf keinen Fall modern sein, das würde nicht zu mir passen. Mir ist bewusst, dass dies wie ein Widerspruch zum Thema Blog steht, aber gerade deswegen erscheinen meine Geschichten auch in Papierform.

 

Das Buch: Daniela Jäggi: „von süß bis ungenießbar“, Der Blog, wie gedruckt, Rothus Verlag, 2015

Daniela Jäggi (geboren 1967) ist Familienfrau und Unternehmerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren erwachsenen Kindern am schweizerischen Jurasüdfuß. Als Bloggerin lebt sie täglich ihre Liebe zum Schreiben aus. www.modepraline.com