von: Urs Heinz Aerni
27. Januar 2017
© Rowohlt Verlag
Antoine de Saint-Exupéry nahm sich nicht das Leben, er wurde fliegend in seiner Kiste von einem deutschen Kriegsflugzeug abgeschossen. Gefundene Wrackteile im Meer und die Aussage eines ehemaligen deutschen Piloten im Greisenalter vor einiger Zeit im Fernsehen geben diese Information preis. Der alte Mann spricht mit betroffener Miene vor der Kamera über seinen damaligen Einsatz. Zu Boden blickend erklärt er, dass er nicht geschossen hätte, wenn er gewusst hätte, wer in der anderen Maschine saß, er habe diesen Autor gern gelesen und sehr geschätzt. Schätzte dieser Mann die Arbeit eines Spenglers, Architekten, Druckers oder Gärtners nicht? Glaubt dieser Mann, dass Saint- Exupéry nur ausgewählte Berufsgattungen ins Visier genommen hat? Soll ein Schriftsteller längere Lebensberechtigung im Kriegsfeuer haben als ein Butler oder ein Tierarzt? Hätten alle Schriftsteller im Kriegseinsatz ihre Maschinen mit Namen und Profession beschriften sollen? «Ich bin der bekannte Schriftsteller Soundso und bin mit dem aktuellen Roman noch nicht fertig. Schießen Sie mich nicht ab und freuen Sie sich auf mein nächstes Buch.»
«Achtung! Maschine K5, Sie werden von einem feindlichen Objekt verfolgt. Antworten.»
«Verstanden. Nehme Gegenangriff auf. Antworten.»
«Verstanden. Stopp! Sie haben Feuerverbot. Es handelt sich um den bekannten Lyriker Samuel Huber. Antworten.»
«Verstanden. Werde nichts unternehmen. Antworrrr…»
«K5! Können Sie uns hören? K5! Antworten Sie …»