von: Urs Heinz Aerni
5. März 2019

„… eine Weitung des Herzens“

Wir befragen Schreibende zur Arbeit, zur Sprache und zu Büchern. Jetzt mit Martin Kunz.

© Martin Kunz - Bild von Urs Heinz Aerni

 

Urs Heinz Aerni: Die Kraft der Sprache ermöglicht…

Martin Kunz: … eine Weitung des Herzens, des Denkens, ermöglicht Präzises und Ausgewildertes, Stilles und Halsbrecherisches. Sie dekoriert nicht, sondern schafft neue Bedeutungen.

Aerni: Mein Lieblingsschreibort ist:

Kunz: … zu Hause, an unterschiedlichen Tischen, je nach innerem und äusserem Wetter. Gerne aber auch in Cafés, neuerdings im Buchsalon KOSMOS. Menschen und Ambiente werden zur Staffage, zur Hintergrundfolie für die Entwicklung meiner Gedanken oder Sprachspiele.

Aerni: Der Lesende darf meine Bücher…

Kunz: … überallhin mitnehmen. Er darf sie weiterempfehlen. Darf, da sie offenbar häufig auf dem Nachttischchen liegen, nach dem interessierten Blättern wegschieben und sich im Bett anderem zuwenden.

Aerni: Eine Welt ohne Bücher wäre

Kunz: … noch schlimmer als eine ohne Götter. Manche Menschen brüsten sich damit, eine bücherfreie Wohnung zu haben. Habe nichts dagegen, wenn sie dadurch nicht auch geistfrei ist.

Aerni: Die Fähigkeit des Lesens ermöglicht…

Kunz: … die Welt immer wieder neu zu sehen. Vor allem Autorinnen und Autoren, die uns sozusagen zum Buchstabieren zwingen, erweitern den Horizont und färben ihn neu. Je nach Autor oder Autorin verdüstert er sich manchmal auch. Deshalb geniesse ich auch Texte, die ich verschlingen muss, weil da jemand gut erzählen kann…

Aerni: Die Arbeit mit Sprache und Geschichten bedeutet für mich…

Kunz: … wie ein Skulpteur vorzugehen. Ich füge Stein auf Stein, unterschiedlich geschliffene, so dass sie passen, manchmal aber auch einander stören. Kann sein, dass zwei Gedankenbrocken nicht zusammenpassen, so dass es bröckelt. Eine gewollte Irritation ist das. Leider bin ich kein Geschichtenschreiber. Aber in der Lyrik und in der essayistischen Prosa gilt das genau so.

 


 

Martin Kunz studierte Philo­sophie, anthropologische Psychologie, Pädagogik und deutsche Literatur in Zürich und Berlin. Weiterhin studierte er am Konservatorium und an Kunstschulen und ließ sich zum analytisch orientierten gestaltenden Psychotherapeuten ausbilden. Bis vor kurzem war er Professor an der Pädagogischen Hochschule in Zürich. Heute führt er am Rande des Zivilisationslärms ein Atelier für Kunst und Philosophie. Zuletzt erschien von ihm »Honig und Quarz. Lyrik und philosophische Zuspitzungen« (Collection Entrada 2017).Hier gelangen Sie zur Website von Martin Kunz: www.martin–kunz.com