von: Urs Heinz Aerni
24. August 2015

10 Jahre Knapp Verlag

Vor zehn Jahren gründete der Journalist Thomas Knapp seinen Verlag in Olten. Trotz der Krise, die den ganzen deutschsprachigen Buchhandel durchschüttelt, feiert der Verlag sein Jubiläum, mit Plänen für die Zukunft. Wir haben Zeilen des Verlegers erhalten, die wir hier gerne wiedergeben.

© Knapp Verlag

 

Liebe Autorinnen und Autoren,
liebe Kolleginnen, Kollegen und Freunde

Mein Verlegerbrief vom Juni hat viel Staub aufgewirbelt. Nachdem meine Gedanken auch im Newsletter des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbandes in der Branche die Runde machten, sind Reaktionen – allesamt positiv – nicht ausgeblieben. «Ich danke Dir für Deine klaren Worte und Deine differenzierten Überlegungen und finde, dieser Brief müsste in Form eines offenen Briefes an alle Buchliebhaber dieses Landes und an die grössten Tageszeitungen verschickt werden», schrieb mir etwa die Wörterseh- Verlegerin Gabrielle Baumann-von Arx. Kolleginnen und Kollegen finden es generell gut, dass das Thema deutlich angesprochen wird. Denn die Probleme einer ganzen Branche müssen thematisiert und öffentlich diskutiert werden. Es steht nicht mehr oder weniger auf dem Spiel als der Erhalt des Kulturguts Buch mit seiner Vielfalt.

Resignation scheint sich zum Glück bei Buchhändlerinnen, Verlegern und Zwischenbuchhändlern nicht auszubreiten. Der Glaube an das und die Liebe zum Buch sind stärker als die schwierigen Rahmenbedingungen wie beispielsweise der immer noch starke Franken. Mehr noch: Landauf, landab geben sich viele meiner Kolleginnen und Kollegen kämpferisch. Eine «Jetzt-erst-recht»-Stimmung ist spürbar.

Interessant ist eine Umfrage unter 5000 Deutschen ab 14 Jahren im Auftrag von Vorsicht Buch! Die Kampagne der deutschen Buchbranche ergab, dass sich Männer wie Frauen beim Shoppen am wohlsten in einer Buchhandlung fühlen. Gefragt nach den drei Geschäften in der Innenstadt mit der schönsten Atmosphäre nannten 74,3 Prozent der Befragten die Buchhandlung. Auf Platz 2 folgt der Blumen- (45,3 Prozent), dann der Kleiderladen (45,2 Prozent). Bei Männern (71,4 Prozent) ist die Buchhandlung fast genauso beliebt wie bei Frauen (77 Prozent). Dem Charme von Buchhandlungen erliegen auch junge Leute: Für 64,6 Prozent der 14- bis 19-Jährigen zählt die Buchhandlung zu den Favoriten. Die meisten Fans haben die Buchläden gemäss dieser Umfrage mit 76,3 Prozent unter den 30- bis 39-Jährigen. Ich denke, die Umfrage lässt sich eins zu eins auf die Deutschschweiz übertragen. Das macht Hoffnung!

Aber klar, die Branche muss sich bewegen. Sie tut es vielerorts auch. Innovation ist gefragt. Und das macht das Buchhaus Lüthy mit Sitz in Solothurn seit Jahrzehnten vorbildlich. Es gehört heute zu den grössten Sortimentsbuchhandlungen des deutschsprachigen Raums und ist mit elf Filialen das grösste familiengeführte Buchhandelsunternehmen der Schweiz. Die 1838 gegründete Buchhandlung wird in vierter Generation von Simone Lüthy und ihrem Mann Roman Horn geführt. Immer wieder hat Lüthy neue Kapitel aufgeschlagen: 1969 wurde in Solothurn eine der ersten Taschenbuchabteilungen von Europa und eine der ersten Reisebuchhandlungen der Schweiz eröffnet. 1996, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, wurde europaweit einer der ersten Online-Shops aufgeschaltet.

Vor zwei Jahren wurde die Innovationskraft des Buchhandelsunternehmens mit dem Solothurner Unternehmerpreis ausgezeichnet.

Ohne solche initiativen Buchhandlungen stünden Verlage ziemlich einsam da. Deshalb geht mein Dank an alle Buchhändlerinnen und Buchhändler. Sie sind an der Front, reden mit Kunden, empfehlen Bücher, animieren zum Lesen und vermitteln im Idealfall das alles mit Begeisterung und Freude.

Die Herausforderung eines Verlages besteht nicht nur darin, gute Bücher zu machen. Sie müssen auch verkauft werden. In erster Linie sollen alle neuen Titel – und natürlich auch die «alten» – gut sichtbar und verführerisch in den Buchhandlungen aufgelegt werden; am liebsten im Schaufenster oder an der Kasse. Aber das will natürlich jeder Verlag.

Immer wichtiger werden für uns Verleger die sogenannten Nebenmärkte. Eine Bank beispielsweise kauft Bücher als Kundengeschenke. Eine Versicherung möchte das Buch «Mamapedia» als Dankeschön für den ersten Versicherungsabschluss Jugendlichen überreichen. Hotels legen nebst der Bibel – sofern sie in einer Schublade überhaupt noch zu finden ist –, dem Gast auch gern eine Perle ins Zimmer. Und an der Rezeption gibt es gleich alle Perlen zu kaufen. An dieser Stelle ein Dankeschön an das Hotel Arte in Olten und den «Storchen» in Schönenwerd. Oder das Buch Und was denken wohl die anderen? zu Stress und Überlastung aus systemischer Sicht – es gehört eigentlich in jede HR-Abteilung. Damit komme ich zum wichtigsten Teil meines Briefes.

Ab September wird Belinda Carlucci als Marketing- und Verkaufsleiterin für den Knapp Verlag die Nebenmärkte beackern. Seit über einem Jahr schon haben wir regelmäßig über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen. Belinda ist ein Glücksfall: Die gebürtige Italienerin liest nicht nur Bücher, sie verschlingt sie regelrecht. Sie hat eine ausgeprägte Affinität zu Büchern. Dabei beschäftigt sie sich nicht nur mit Inhalten, sondern als Spezialistin auch mit der Herstellung und der Haptik. Während eines Jahrzehnts betreute Belinda Carlucci für die Firma Antalis AG Großkunden. Danach war sie über ein Jahr in einer Druckfiliale in Bern tätig. Geht es um die Beschaffenheit, Qualität oder Einsatzmöglichkeiten von Papier, ist Belinda eine ausgewiesene Fachfrau. Nun ist sie bei ihrer beruflichen Karriere also beim Endprodukt, dem Buch, angelangt. Nebst dem Knapp-Mandat arbeitet sie stundenweise bei ihrem Lebenspartner in der Gama-Immobilien AG in Rickenbach (Solothurn).

Belinda Carlucci ist eine engagierte Frau. Sie packt an, geht voran und direkt auf Menschen zu. Sie wird uns auch bei Messen, Auftritten und Lesungen organisatorisch unterstützen. Unser ganzes Team heisst Belinda ganz herzlich willkommen. Wir freuen uns auf unsere neue Kollegin.

Es gibt auch einen Abschied zu vermelden: Die Edition E von Niccel und Emil Steinberger und der Knapp Verlag haben ihre Verlags-Partnerschaft per Ende Juli 2015 nach zweieinhalb Jahren wieder aufgelöst. Der erhoffte wirtschaftliche Mehrertrag ist bei keinem der beiden Verlage eingetreten. In vielen Gesprächen haben wir uns zu diesem Schritt entschieden. Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft völlig getrennte Wege gehen werden. Denn aus dieser Partnerschaft hat sich eine Freundschaft entwickelt, die weit über das Geschäftliche hinausgeht. Projektbezogen werden wir mit Niccel und Emil weiterhin zusammenarbeiten und auch einen regen kreativen Austausch pflegen. Und ihr könnt mir glauben:

Da gibt es immer sehr viel zu lachen. Und das ist immer noch die beste Medizin.

Mit herzlichen Grüßen
Thomas Knapp

Olten im August 2015